Teuflisch gutes Webdesign 

von Chris Nodder

Teuflisch gutes Webdesign von Chris Nodder

Teuflisch gutes Webdesign von Chris Nodder

Das Buch des Monats April das ich zur Erfüllung meines Ziels für 2018 gelesen habe war Teuflisch gutes Webdesing von Chris Nodder.

Darin werden 57(!) Webdesign Hacks vorgestellt, mit denen es möglich ist auf Websites, Apps und Software ein bestmögliches Interaktionsdesign zu realisieren.
Diese Hacks oder Design-Techniken beruhen alle auf der Ausnutzung von menschlichen Schwächen, weshalb Chris Nodder sie in die sieben Todsünden (jeweils ein Kapitel pro Todsünde) untergliedert hat.

Die Namen der Kapitel lauten also entsprechen Stolz, Trägheit, Völlerei, Zorn, Neid, Lust und Gier.

Besonders wertvoll sind aus meiner Sicht die vielen Beispiele, Studien und Versuche aus dem richtigen Leben, mit denen Chris die einzelnen Techniken verdeutlicht.
Meistens weist er auf Webseiten hin, die die jeweilige Technik perfekt umgesetzt haben.

Die Macht und Wirksamkeit der Konzepte, wird durch die Beispiele sehr deutlich.
Besonders für Methoden oder Konzepte, von denen man vllt. schon gehört hat ist das sehr interessant.
Zwei Konzepte, auf die das für mich zutraf, waren das Buzzword Gamification und der Begriff kognitive Dissonanz.

Da das Buch hauptsächlich aus Vorstellung von Techniken besteht, habe ich einfach die, die ich interessant fand für dich rausgepickt und im folgenden zusammengefasst.

Ausgewählte Webdesign Hacks

Persönliche Botschaften (Stolz)

Unter diesem Punkt wird auf den positiven Effekt von persönlichen Botschaften hingewiesen. 
Um diesen Punkt zu verdeutlichen hat er ein Foto genutzt, das auf dem Weg zu einem Strand auf Hawai gemacht wurde. 
Auf der linken Seite des Weges ist ein offizielles Schild, das vor Strömung und großen Wellen warnt.
Daneben befindet sich ein Schild, das offensichtlich von den Locals erstellt wurde. Auf diesem wird auch vor der starken Strömung gewarnt allerdings ist darunter eine Strichliste mit der die Toten gezählt wurden, die der Strömung in diesem Jahr zum Opfer gefallen sind.
Es wird deutlich das das persönliche Schild eine viele intensivere Wirkung hat.
Eine Internetseite die dies vorbildlich umsetzt ist Wikipedia mit dem alljährlichen Spendenaufruf vom Gründer Jimmy Wales persönlich.

Weg des geringsten Wiederstands nutzen (Trägheit)

Zur Verdeutlichung wird im Buch eine Luftaufnahme vom Richmond Park in London verwendet. 
Darauf sind "Wunschlinien" zu sehen, also inoffizielle Wege, die dadurch entstanden sind das Leute sie einfach gegangen sind da sie schneller von A nach B führen.

Auf Webseiten kann diese Konzept verwendet werden, in dem zuerst mittels Eyetracking (Aufzeichnung von Augenbewegungen) und einer Heatmap die, am meisten angesehenen Bereiche einer Website identifiziert werden.
Manche Unternehmen nutzen dieses Wissen um an wenig beachteten Bereichen rechtlich notwendige Informationen anzuzeigen.

Schwächen erwähnen bevor der Kunde sie findet (Völlerei)

Der erste Impuls ist oft, Schwächen oder Fehler seines Produktes zu verbergen.
Es ist aber vorteilhaft, diese zu erwähnen um direkt danach die Stärken zu nennen.
Dadurch beweist man, das man dem Kunden gegenüber ehrlich, integer und offen ist.

Der Kunde wird sich dafür mit Vertrauen revanchieren und die Basis für eine langandauernde, erfolgreiche Beziehung ist gelegt.
Speziell im Fall einer Krise kann man nicht genug offen und ehrlich Kommunizieren.

Fuß-in-die-Tür-Technik (Völlerei)

Hier geht es darum, die Zustimmung für eine kleine Sache zu bekommen.
Später wird darauf aufbauen eine größere Bitte gestellt.

Als Verdeutlichung schreibt Chris Nodder von einem Versuch, bei dem Spendensammler in einem Wohngebiet von Tür zu Tür gegangen sind und um eine Unterschrift einer Petition gebeten haben. 
Wenn dies erfolgreich war sind sie später noch einmal wieder gekommen und haben um eine kleine Spende gebeten.

Durch diese Technik erzielt man ein Commitment, das am Anfang eher aussichtslos schien.
Die Leute erinnern sich, dass sie bereits einen kleinen Gefallen getan haben und sind dann eher bereit auch eine größere Bitte zu erfüllen.

Tür-ins-Gesicht-Technik (Völlerei)

Dieser Webdesign Hack funktioniert genau umgekehrt zum vorigen.
Eine große, dreiste Bitte wird in diesem Fall zuerst gestellt. Unmittelbar danach folgt eine kleinere, der häufig nachgegeben wird.

Grund dafür ist, dass ein Schuldgefühl entsteht.  
Die gefragte Person ist dann froh, mit Erfüllung der kleineren Bitte eine Art Entschuldigung für die Ablehnung der großen Bitte zu haben.
Hierzu wurde ein Experiment von Robert Cialdini durchgeführt, bei dem Studenten an einer Uni gefragt wurden, ehrenamtlich über den Zeitraum von zwei Jahren junge Straftäter zu betreuen.
Direkt nachdem dies verneint wurde hat man gefragt ob der Student bereit wäre denselben Straftäter bei einem eintägigen Zoobesuch zu begleiten.

Daraufhin haben 50 % zugesagt.
Ohne die erste große Bitte lag die Zustimmung bei 16,7 %.
Nach Cialdini sind folgende Punkte entscheidend:

  • Individuum muss merken, dass es sich um ein gegenseitiges Zugeständnis handelt
  • Unterschied zwischen erster und zweiter Bitte muss groß sein
  • nur ja/nein Antwortmöglichkeit
  • beide Fragen müssen von derselben Person vorgebracht werden
  • 2. Frage muss abgeschwächte Version der ersten sein, keine neue Anfrage

Auf einer Webseite kann man diese Technik verwenden, indem man etwa bei einem ersten höherpreisigen Angebot ein "Nein danke"-Button einfügt. 
Nach Klick darauf wird man zu einem "vernünftigeren" Angebot weitergeleitet.

Zorn mit Humor begegnen (Zorn)

Wenn ein Webseitenbesucher verärgert sein könnte kann eine Möglichkeit sein diesem Zorn mit Humor zu begegnen.
Die Bild Blogging Plattform tumblr hat diese Technik bei einer Fehlerseite (503) angewendet.
Wenn der Besucher auf diese Seite kommt wird ein lustiges Bild (Fan-Art von Matthew Inman) angezeigt.
Darauf zu sehen sind einige Fantasietiere "Tumbeasts", die gerade die Server anknabbern.
Im Text darunter steht, das wohl vergessen wurde diese, im Serverraum lebenden Tiere zu füttern.

Die Verwendung dieser Technik ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da Scherze nur einmal lustig sind und es auch nicht auf jede Webseite passt.
Bei einem Backup-Service für Daten sollte z.B. die Fehlermeldung nicht mit "Whoops!" anfangen.

Nutzer schon vor Kauf das Gefühl von Eigentum geben (Neid)

Don Norman erklärt in seinem Buch Emotional Design, das wir uns viel stärker gefühlsmäßig an ein Produkt gebunden fühlen, wenn wir uns (auch bevor wir es tatsächlich besitzen) dafür engagieren.
Als Beispiel nennt Chris hier den BioLite, einen neuartigen Campingkocher, der Biomasse sauber und effizient verbrennt.
Die ursprüngliche Produktankündigung war Anfang 2010. Sie wurde in der Folge verschoben auf Ende 2011, dann auf Frühling 2012.
Schließlich kam er  im Mai 2012 auf den Markt.

Das Interesse der Kunden blieb erhalten, da das Unternehmen den aktuellen Stand der Entwicklung auf ihrer Website zeigte.
Es wurden Videos von frühen Prototypen beim Einsatz in der Wildnis gezeigt.
Später wurde das Gerät um einen USB Port erweitert, mit dem elektrische Geräte (durch die überschüssige Energie) aufgeladen werden konnten.

Zu dieser Kommunikation kamen sinnvolle PR Maßnahmen in einschlägigen Outdoor Zeitschriften oder auf Tech-Webseiten.

Botschaft als Frage vermitteln (Lust)

Diese Technik wird gerade im Online Marketing sehr häufig eingesetzt und ist daher besonders wichtig.
Mit einer Frage werden die Benutzer dazu gezwungen über eine Botschaft nachzudenken und in die gewünschte Richtung gelenkt.

Zur Veranschaulichung nutzt Chris Nodder die Frage:
"Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum so viele von der Konkurrenz zu uns wechseln?"

In diesem Fall wird ein Zweifel im Kopf des Kunden platziert.
Allerdings sollte niemals der Name des Konkurrenten direkt genannt werden.

Einen "ummauerten Garten" schaffen (Gier)

Wir sollten dem Benutzer wenig Gründe geben unsere Website/App zu verlassen und dafür sorgen, dass er häufig wiederkommt.
Seiten, bei denen dies perfektioniert wurde sind Facebook, Twitter und Youtube.
Man kann auf den Platformen selbst alles machen und auch die meisten Freunde sind dort.
Wenn die Besucher den "Garten verlassen", sollte man Funktionen schaffen, mit denen man sie im Auge behalten kann.
Somit kann man ihnen danach entsprechend personalisierte Werbung präsentieren.

Der Garten sollte ständig auf Vollständigkeit geprüft werden und bei Bedarf erweitert werden.
Facebook hat dies durch die Übernahme von Instagram realisiert, um den Nutzern auch Bildbearbeitungsfunktionen zu bieten.

Abschließende Gedanke

Zum Abschluss geht Chris noch auf eine Frage ein, die sich vielleicht viele während des Lesens stellen.
Sollte man ein schlechtes Gewissen haben, wenn man die beschrieben Methoden anwendet?
Die Methoden sollten nur genutzt werden, um etwas zu verkaufen, das dem Kunden einen Mehrwert bietet.
Sobald für jemanden ein Schaden entsteht, ist eine Grenze erreicht, die man nicht überschreiten sollte.

Er gibt Beispiele wo Täuschungen hilfreich sind:
Das "MonsterGoAway" Spray besteht aus Lavendelöl und Wasser. Dies können ängstliche Kinder vor dem Schlafen unter ihr Bett sprühen. 
Viele Kindern hilft dies bei ihrer Angst vor vermeintlichen Monstern unter dem Bett.

Ein weiteres einleuchtendes Beispiel für hilfreiche Täuschungen sind Bushaltestellen in Altenheimen.
Ein häufig genutzter Ansatz bei Demenzpatienten ist, nicht dagegen anzukämpfen.
Menschen mit Demenz leben in ihrer eigenen Welt, in der sie zu ihrem Haus oder Menschen aus ihrer Vergangenheit zurückkehren wollen.
Die Demenzpatienten in einem Altenheim sind freie Menschen und sollten nicht mit Hilfe von Medikamenten zurückgehalten werden.
Stattdessen sollte man ihnen in ihrer Version der Realität begegnen und sie zu der pseudo Bushaltestelle begleiten.
Sie vergessen nach wenigen Minuten, warum sie an der Bushaltestelle sitzen und verlassen nicht das Gelände um später orientierungslos umher zu irren.

Im letzten Kapitel macht Chris Nodder noch einen Vorschlag, wie man (auch im Team) aus den vorgestellten Webdesign Hacks, die für sich passenden auswählen kann.

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